Intimidades de Shakespeare y Victor Hugo / Shakespeare and Victor Hugo’s Intimacies
Ausgewählt und vorgestellt von Jamie Crewe
Intimidades de Shakespeare y Víctor Hugo ist ein Dokumentarfilm von Yulene Olaizola aus dem Jahr 2008. Einen Tag lang befragt die Regisseurin ihre Großmutter Rosa Elena Carbajal und deren Haushälterin Florencia Vega Moctezuma im großzügigen Gästehaus der Großmutter im Viertel Anzures in Mexiko-Stadt. Yulene stellt Fragen über einen früheren Bewohner, einen jungen Mann namens Jorge Riosse, zu dem Rosa eine besondere Verbindung hatte und dessen Spuren sich im ganzen Haus finden. Der Bericht der Frauen über Jorge entfaltet sich Zug um Zug und mit Zurückhaltung, beiläufig unterbrochen von kleinen Feuerwerken von Familienklatsch. Langsam wird eine komplexe, verblüffende und schockierende Geschichte beinahe bis zum Ende aufgerollt.
Ich liebe diesen Film für sein Gespür für partielle Enthüllungen. Fakten und Theorien werden dahergemurmelt oder so vermittelt, als wäre man ohnehin bereits im Bilde. Er erinnert mich daran, wie meine Mutter mir in einer wichtigen Sache, von der sie mir noch gar nichts erzählt hat, die letzten Neuigkeiten berichtet; daran, wie ein/e Partner:in mir etwas sagt, das mich erstarren lässt, aber ich zu überrascht bin, um etwas dagegen einzuwenden; daran, wie ein/e Freund:in skandalösen Klatsch über einen Schwarm von mir berichtet und ich sekundenlang noch nicht einmal seinen Namen einordnen kann. Intimidades de Shakespeare y Víctor Hugo beschreibt, wie wir instinktiv oder gewohnheitsmäßig Dingen ausweichen, die uns irritieren, die dann aber trotz allem durchsickern oder aus uns herausbrechen, aus merkwürdigen Ecken, mit erstickter Stimme.