Sektionen

Filmprogramm

Timetable: Filmprogramm

Timetable: Wettbewerb

Timetable: Langfilme

Timetable: It’s rather a verb

Timetable: Implication. On Documentary Ethics

Timetable: Artists in Focus

Oft wurde in den vergangenen zwei Jahren darüber spekuliert, welche Bedeutung das Kino wohl (noch) haben mag, wenn erst einmal das Publikum wieder zum gemeinsamen Filmeschauen zusammenkommen kann. Für Festivals wie das EMAF spielte und spielt es als Ort der Begegnung und des direkten Austauschs zwischen Künstler:innen und Zuschauer:innen von jeher eine zentrale Rolle, und umso mehr nach zwei Jahren Zwangspause. Wir möchten daher mit einem vielseitigen, sinnlichen, anspruchsvollen Programm mit Ihnen unsere Rückkehr in die Festivalkinos feiern. Viele der am Programm beteiligten Künstler:innen werden anwesend sein, um ihre Filme vorzustellen und mit Ihnen und uns zu diskutieren.

Im Zentrum stehen die Filme des Internationalen Wettbewerbs. Die acht Programme geben einen Überblick über die Vielfalt und aktuellen Entwicklungen im Bereich des experimentellen und künstlerischen Kurzfilms. Sie setzen sich kritisch mit den gebauten und natürlichen Landschaften auseinander, in denen wir leben, und spüren den Geschichten nach, die in sie eingelagert sind. Sie verschränken persönliche Erinnerung, Literatur und Legende, um ein neues, vielschichtiges Bild von unserer Gegenwart zu zeichnen. Sie suchen nach Formen, um überliefertes Wissen aufs Neue in Umlauf zu bringen – mit den Mitteln von Gesang, Tanz und Musik. Sie spielen mit Film als Medium der Illusion und des Spektakels, experimentieren mit seinen materiellen Eigenschaften und narrativen Möglichkeiten. Dabei machen sie den Kino-Raum als Raum einer geteilten sinnlichen Erfahrung erlebbar.

Die sechs Beiträge der Sektion Feature Films setzen ihre je eigenen inhaltlichen und formalen Schwerpunkte, teilen aber ein gemeinsames Interesse für das komplexe Verhältnis von Körper und Politik. So geht es etwa um die Möglichkeiten, in und durch Sprache die eigene Identität zum Ausdruck zu bringen, sich fremden Zuschreibungen zu entziehen und politisch Gehör zu verschaffen, oder auch die materiellen Bedingungen, unter denen reproduktive Arbeit (und die Emanzipation davon) heute stattfindet. In einem anderen Fall wird ein wiederkehrender Traum des Filmemachers zum Anlass, in Homevideos seiner eigenen Familie einer Vergangenheit nachzuspüren, deren Erschütterungen bis in die Gegenwart hinein wirken. Schließlich ziehen ein Klassiker des queer-feministischen Underground-Kinos der 1990er Jahre und eine vielstimmige Neufassung von 1001 Nacht, basierend auf dem Liebestagebuch des Filmemachers, die Grenzen zwischen individuellen und kollektiven Körpern neu.

Competition_Yarokamena
Filmstill "Yarokamena", Andrés Jurado, CO/PT 2022, 21'
Competition_TheMadMensLaughter
Filmstill "Al-Majnoun Al-Dahek / The Mad Man’s Laughter, Alaa Mansour, LB/AT 2021, 42'
Feature_ShallIcompare
Filmstill "Bashtaalak sa’at / Shall I Compare You to a Summer’s Day?", Mohammad Shawky Hassan, EG/LB/DE 2022, 66'
Documentary_IntimidadesdeShakesphere
Filmstill "Intimidades de Shakespeare y Víctor Hugo / Shakespeare and Victor Hugo’s Intimacies", Yulene Olaizola, MX, 2008, 83'
It´sratheraverb_ElectronicalGaza_Nashahibi
Filmstill "Electrical Gaza", Rosalind Nashashibi, UK 2015, 18'
⟼ Courtesy of the artist and LUX, London
AristsinFocus_BSM_LaCuevaNegra
Filmstill "La cueva negra / The Black Cave", Beatriz Santiago Muñoz, PR, 2012, 20'
ArtistsinFocus_EW_thePips
Filmstill "The Pips", Emily Wardill, UK, 2011, 4'
⟼ Courtesy the artist and Carlier Gebauer,
Berlin and Altman Siegal,
San Francisco

Immer häufiger wählen Künstler:innen dokumentarische Mittel, um sich der politischen und gesellschaftlichen Wirklichkeit der Gegenwart oder den Bildern und Erzählungen der Vergangenheit zu nähern. Das spiegelt sich auch in der Filmauswahl des EMAF wider. In der Reihe Implication. On Documentary Ethics möchten wir uns einigen der ethischen Fragen nähern, die sich bei der Arbeit mit dokumentarischem Material stellen. Hierfür wurden drei Künstler:innen aus dem Wettbewerb eingeladen, Filme auszuwählen und mit dem Publikum zu diskutieren, die das Thema aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchten. Dabei geht es etwa um die Arbeit mit und Aneignung von gefundenem Material, die Darstellung von Nähe und Intimität, den Umgang mit politisch motivierter Zensur und Fragen der Veröffentlichung und Wiederaufführung.

Das Filmprogramm zum Thema The thing is wurde in diesem Jahr von Sirah Foighel Brutmann und Eitan Efrat zusammengestellt. It’s rather a verb versammelt aktuelle und historische Werke, die das Augenmerk auf Dinge als Prozess, als Handlung und Interaktion legen. Sie schauen auf die weichen, veränderlichen Konturen der Dinge, ihre Offenheit für und Formbarkeit durch andere Dinge, aber auch durch Erfahrungen von Gewalt, Fürsorge und Gemeinschaft. Dabei geht es insbesondere auch um die Dynamiken und Durchlässigkeiten, die Film als zeitbasiertes Medium ermöglicht. Neben sieben Filmprogrammen umfasst It’s rather a verb auch eine Live-Performance, die in der Kunsthalle Osnabrück zu erleben sein wird.

Als Artists in Focus werden zwei Filmkünstlerinnen gewürdigt, deren Arbeiten international viel beachtet und in renommierten Ausstellungshäusern gezeigt werden, auf Festivals aber weniger vertreten sind. Erstmals in Deutschland zeigt die puerto-ricanische Künstlerin Beatriz Santiago Muñoz eine breite Auswahl aus ihren filmischen Arbeiten. Sie verbinden dokumentarische, fiktionale und performative Elemente, um die natürlichen und politischen Landschaften der Karibik, die Geschichte und Gegenwart antikolonialer Bewegungen und die Möglichkeiten eines feministischen filmischen Erzählens zu beleuchten. Emily Wardill, deren Film Night for Day im vergangenen Jahr mit dem Hauptpreis des EMAF ausgezeichnet wurde, gibt Einblicke in ihre filmischen Arbeiten der letzten 15 Jahre. In ihnen sind die Unbeständigkeit von Sprache, die Gespenster der Technologie und die Materialität von Erinnerung wiederkehrende Themen. Ihre ausgesprochen sinnlichen experimentellen Filme setzen auf eine sehr eigene Mischung aus wissenschaftlichem Diskurs und absurdem Wortwitz, politischer Analyse und spielerischer Andeutung.

Filmgespräche
Wettbewerb

Breach

Beteiligte: Steve Reinke, Vika Kirchenbauer, Paribartana Mohanty, Sky Hopinka - Moderation: Tinne Zenner

Ripple

Beteiligte: Chiara Caterina, Jorge Castrillo, Parastoo Anoushahpour, Faraz Anoushahpour, Ryan Ferko - Moderation: Tinne Zenner

Return

Beteiligte: Marian Mayland, Gernot Wieland, Carl Elsaesser - Moderation: Mason Leaver-Yap

Splinter

Beteiligte: Alejandro Alvarado & Concha Barquero, Doplgenger, Alaa Mansour - Moderation: Philip Widmann

Knot

Beteiligte: Stephanie Barber, Carlos Irijalba, Renu Savant, Juan David Gonzalez Monroy - Moderation: Philip Widmann

Embers

Beteiligte: Emmanuel Lefrant, Andrés Jurado - Moderation: Viktor Neumann

Pass

Beteiligte: Jean-Jacques Martinod, Jamie Crewe, Ben Balcom - Moderation: Mason Leaver-Yap

Motif

Beteiligte: Ingel Vaikla, Isabella Solar Villaseca, Nguyen Trinh Thi - Moderation: Viktor Neumann

It´s rather a verb

Willkommen zu dieser Online-Diskussion im Rahmen des EMAF-Themenprogramms It’s rather a verb, kuratiert von Sirah Foighel Brutmann und Eitan Efrat.

In diesem Gespräch sprechen wir mit der Filmhistorikerin Sonja Simonyi über Hétpróba (Seven Trials), einen selten gezeigten Film der ungarischen Neoavantgarde-Künstlerin Dóra Maurer aus dem Jahr 1982, den wir im 7. (und letzten) Programm zeigen dürfen.

Sonja Simonyi ist eine unabhängige Wissenschaftlerin, die sich mit den visuellen Kulturen des sozialistischen Osteuropa beschäftigt. Ihre Arbeiten zum populären und experimentellen Kino sind in einer Reihe von Sammelbänden sowie in den Zeitschriften Film History und Third Text erschienen. Das neue Buch mit dem Titel Experimental Cinema in State-Socialist Eastern Europe, herausgegeben von Sonja und Kenya Gurshtein, ist jetzt beim Amsterdamer Universitätsverlag erhältlich.

Sonja ist auch eine gute Freundin von uns und hat uns auf diesen wunderbaren Film aufmerksam gemacht. Gemeinsam diskutieren wir verschiedene Perspektiven des feministischen Filmemachens im Kontext des Staatssozialismus, über das Filmemachen im Allgemeinen und über den einzigartigen Filmraum, den Dóra Maurer in diesem Film geschaffen hat.

Wir wünschen Ihnen viel Spaß.

Artist in Focus: Beatriz Santiago Muñoz

Beatriz Santiago Muñoz im Gespräch mit Katrin Mundt über ihr Artist in Focus Programm 1:

Beatriz Santiago Muñoz im Gespräch mit Katrin Mundt über ihr Artist in Focus Programm 2:

Beatriz Santiago Muñoz im Gespräch mit Katrin Mundt über ihr Artist in Focus Programm 3:

Beatriz Santiago Muñoz im Gespräch mit Gazelle Mba über ihr Werk:

Artist in Focus: Emily Wardill
Preise und Jury Statements
EMAF Award

Jamie Crewe, False Wife

Die internationale Jury verleiht den EMAF-Preis 2022 für herausragende Medienkunst an False Wife von Jamie Crewe. Vom ersten Bild und vom ersten Takt an wird der Betrachter von seinem Sitz losgerissen und vom Computerbildschirm auf dem Schoß in die dunkle Ecke eines Clubs, zu einer kurzen Verschnaufpause auf eine Wiese und wieder zurück in seinen starren Kinosessel katapultiert.

Mit einem 10-Sekunden-Countdown zur Vorbereitung verschmelzen wir wie in einem Poppers-Trainingsvideo, entrückt, verstrickt mit einem folkloristischen Gestaltwandler, und nichts ist mehr, wie es war. Unsere Haut, unsere Identität schält sich bei jeder Begegnung ab und vervollständigt den haptischen Ansturm, der mit einem rippenknackenden Bass beginnt.

Dieses Werk kombiniert auf erfinderische Weise Schichten von manipulierten Bildern, Sound und Text und prägt sie in halsbrecherischer Geschwindigkeit direkt auf den Betrachter ein. False Wife lässt unsere Grenzen zwischen dem Individuum und dem Kollektiv, dem Körper und dem Geist, der Fixierung des Geschlechts und dem gesellschaftlichen Vertrag des Kinos schwanken.

Dialog Award

Carlos Irijalba, Half Wet

Die Geschichte des Dialogpreises geht auf das Engagement des deutschen Außenministeriums für die Förderung des interkulturellen Dialogs zurück. Die internationale Jury hat sich für die Art und Weise interessiert, wie dieser Dialog undurchsichtig, indirekt sogar nicht existent sein kann und sich den Binaritäten entzieht, die in den Ideologien des Fortschritts existieren. Der Dialog-Preis des European Meadia Art Festival´s 2022 geht an Carlos Irijalba für den Film Half Wet.

Schwebend in der Luft und tauchend im Wasser, besetzen und kolonisieren wir Räume, die uns nicht zustehen. Die toxischen Umgebungen werden zu einem Nebenprodukt der Freizeit, zu einem Eskapismus, der von den Reichen auf Kosten aller betrieben wird. Die performative und unsichtbare Arbeit der Instandhaltung wird ad absurdum geführt, indem der Betrachter in eine Welt der alltäglichen Vergeblichkeit und des damit verbundenen Humors hineingezogen wird.

Die Jury ist beeindruckt von der Art und Weise, wie Half Wet auf subtile Weise auf die Diskrepanz zwischen der Kurzsichtigkeit eines individualisierten Umweltbewusstseins und den postkolonialen Realitäten derjenigen hinweist, die bereits in einer klassenbasierten Klimakrise leben.

Medienkunstpreis des Verbands der deutschen Filmkritik

Carl Elsaesser, Home When You Return

Zwei weibliche Biografien am Rande des Sichtbaren verflechten sich zu einem betörenden women’s picture. Sie spiegeln sich, kommunizieren miteinander, reden der anderen buchstäblich hinein. Ihr geteilter physischer Raum ist ein Haus, das mehr als ein halbes Jahrhundert bewohnt wurde und nun, nach dem Tod seiner Besitzerin, zum Verkauf steht. Auch wenn über das lange Leben, das in den jetzt leeren Räumen einst stattfand, so gut wie nichts bekannt ist, vermittelt der Film eine leise Ahnung. Die Blicke stoßen an Grenzen, fallen auf Wände und Fenster, Sehnsüchte schwingen mit, auch Unerfülltes. Gesprochen wird in einer Sprache, über die es heißt, dass sie selbst Steine zum Weinen brächte: die Sprache des Melodrams.

In Home When You Return führt ein melodramatischer Film der Amateurfilmerin Joan Thurber Baldwin aus den 1950er-Jahren im Haus der gerade verstorbenen Großmutter des Filmemachers ein phantomhaftes Weiterleben. Räume, Dekor, Texturen, Objekte wie Möbel und Gemälde sowie flüchtige Abdrücke der vormals Anwesenden werden zum Ausdruck von Innerlichkeit, der Blick darauf ist dabei so präzise wie zärtlich. Im Spiel mit Doppelbelichtungen, Verwischungen, Zwischen- und Rolltiteln, der Tonspur aus dem historischen Film sowie Geräuschen aus dem Hier und Jetzt lässt Carl Elsaesser Vergangenheit und Gegenwart, filmische Realität und persönliche Geschichte auf virtuose Weise – und auf 16mm – miteinander verschmelzen. Die verschiedenen Zeit- und Wirklichkeitsbenen affizieren sich gegenseitig und changieren zwischen Impression und emotionalem Überschuss. Was so entsteht ist eine berührende überindividuelle Erzählung über Verlust, Trauer, weibliche Rollenbilder und die Schattenwelt der häuslichen Sphäre.

Der EMAF Medienkunstpreis der deutschen Filmkritik geht an Home When You Return von Carl Elsaesser.

Lobende Erwähnung

Chiara Caterina, L’incanto

Der Jury des Verbands der deutschen Filmkritik, die beim European Media Art Festival den EMAF Medienkunstpreis der deutschen Filmkritik vergibt, ist es ein besonderes Anliegen, noch einen weiteren Film hervorzuheben, der die Jury durch seine ungewöhnliche Gestaltungsweise und außerordentliche Wirkungsintensität zutiefst beeindruckt hat.

Dieser Film verbindet Bilder und Töne, die ursprünglich nichts miteinander zu tun haben, aber schon als einzelne Elemente eine suggestive Ausdruckskraft besitzen, zu einem surrealen Gesamtkunstwerk, in dem alles miteinander in Beziehung zu stehen scheint. Der Film wirkt wie eine Reise ins Herz der Finsternis: Stimmen auf der Tonebene sprechen von Tod, Mord, Höllenqualen und Verdammnis. Es sind die Geschichten von fünf Frauen, die sich auf der Tonebene ineinander spiegeln und vermengen bis hin zu einem alptraumhaften Crescendo am Ende des Films. Dazu Bilder von der Elementarhaftigkeit der Natur und von labyrinthhaften Höhlenstrukturen, aber auch von einer abgründigen Urbanität mit gespenstischen Interieurs und sich düster verengenden Korridoren. Der Film wirkt auch wie die Reise in ein kollektives Unterbewusstsein.

Aus all diesen Elementen kreiert der Film eine infernohafte Aura, die den elektrisierten Zuschauer auf magische Weise gefangen nimmt. Der Titel des Films bedeutet auch bezeichnenderweise so viel wie „Zauber“, „Verzauberung“, „Magie“. Die Jury des Verbands der deutschen Filmkritik vergibt eine Lobende Erwähnung an L’incanto von Chiara Caterina.

Ausstellung

Timetable: Ausstellung

Mittlerweile übersteigt die Masse der von Menschen geschaffenen Dinge, von Gegenständen, Maschinen oder Gebäuden, die gesamte lebende Biomasse auf dem Planeten. Allein anhand dieser Tatsache lassen sich Aussagen über unsere Gesellschaft treffen. Die Anwesenheit und Menge der Dinge ist nicht nur ein wesentliches Merkmal für das Zeitalter des Anthropozäns, es verweist auch auf das angebrochene „Wastozäns“ (“Wasteocene” nach Marco Armiero / Yvonne Volkart). Der Begriff beschreibt die Befürchtungen, die sich über Deponien und Atommülllager artikulieren, eine Art von neuen geologischen Aufschichtungen, denn es bleibt immer etwas zurück. Gleichzeitig ist diese Zeit durch extraktive, ausbeuterische „Wegwerfbeziehungen“ mit anderen Menschen, Lebewesen, Dingen und Materie gekennzeichnet.

Diese Zusammenhänge und Machtstrukturen schreiben sich in die Dinge ein, die wir herstellen, benutzen, begehren, (auf-)bewahren und wegwerfen. Über ihre Funktion und Bedeutung hinaus verkörpern Dinge Bedürfnisse, Interessen oder Ideen und verweisen auf die Art, wie wir mit anderen und unserer Umwelt leben. Sie sind kondensierte soziale Beziehungen und materielle Zeugen unseres Daseins, selbst wenn diese im Objekt nie vollständig sichtbar werden.

Betrachten wir unsere Beziehung zu Objekten, zeigt sich schnell, dass es gar nicht so klar ist, wo unser Körper endet und die unbelebte Welt beginnt. Wir werden durch die Dinge um uns herum geprägt, nicht immer so offensichtlich wie z.B. durch unsere Computer und Telefone. Verleihen wir dem Objekt Leben oder erlaubt das Objekt unseren Körper, sich auszudrücken? Menschen und Dinge konfigurieren sich gegenseitig, ihre Interaktionen sind Formen von physischen, sozialen, politischen, wirtschaftlichen und ökologischen Aushandlungen.

Ausstellung_/ Installation: ‘Synthetic Seduction` (Stine Deja & Marie Munk)
‘Synthetic Seduction` - Stine Deja & Marie Munk
Installation
Angela von Brill
Ausstellung_Installation: ‘Crip Ecologies` (RA Walden)
‘Crip Ecologies` - (RA Walden)
Installation, Archive with glass, soil, rocks,
plant life, animal specimens, formalin,
isopropyl alcohol, 2018
Angela von Brill
Ausstellung_Installation: ‘Forest Law` (Ursula Biemann & Paulo Tavares)
‘Forest Law` - Ursula Biemann & Paulo Tavares
Video Essay, Cartography, 2014
Angela von Brill
Ausstellung_Installation: ‘Zen for Hoejabi` (Anna Ehrenstein)
‘Zen for Hoejabi` - Anna Ehrenstein
Multimedia Installation, 2019
Angela von Brill
Ausstellung_Leon Kahane  Jerricans To Can Jerry Small
'Jerricans to Can Jerry' - Leon Kahane
Video Installation, 2020
TabitaRezaire SugarWallsTeardom 2016 StillLR1
'Sugar Walls Teardom', Tabita Rezaire
Video, 2016
Ausstellung_Thetablethateatsitself_ValentinaKarga
EMAF Exhibition ‘The thing is` at Kunsthalle Osnabrück
Front: ‘The Table That Eats Itself` (Valentina Karga)
Back: Installation: ‘Zen for Hoejabi` (Anna Ehrenstein), Installation:‘Synthetic Seduction` (Stine Deja & Marie Munk), ‘Jerrycans to Can Jerry` (Leon Kahane)
Angela von Brill
Ausstellung_Installation: ‘Agents` (Anastasia Sosunova)
‘Agents` - Anastasia Sosunova
Video installation, 2020
Angela von Brill
Ausstellung_"Op-Film: An Archaeology of Optics", Filipa César & Louis Henderson, 2017
'Op-Film: An Archaeology of Optics' - Filipa César & Louis Henderson
Film, Installation, 2017
Angela von Brill

Es stellt sich die Frage, ob wir die Dinge um uns herum tatsächlich als rein passive, unbelebte stumme Objekte begreifen können. Quasiobjekte und Hybride wie Künstliche Intelligenzen, gefrorene Embryonen oder psychoaktive Substanzen verkomplizieren unser Verhältnis zu den Dingen. Wie würden wir mit fühlenden Maschinen umgehen? Was bedeutet es, wenn Natur, wie z.B. in Gestalt des Regenwalds, den Status eines Rechtssubjektes erhält, das sich gegen Extraktivismus und Verschmutzung wehren kann? Wo ziehen wir die Grenzen zwischen Objekt und Subjekt, Natur und Gesellschaft, Technik und Körper?

Gleichzeitig werden Menschen und Lebewesen in asymmetrischen Machtverhältnissen wie der Sklaverei, Wirtschaft, Tierhaltung, Medizin oder in Geschlechterverhältnissen Rechte aberkannt und wie Dinge behandelt. Othering und die Objektifizierung in die Warenform macht alles konsumierbar, bildet die Grundlage für Ausbeutung und Wegwerfbeziehungen.

Die Künstler:innen in der Ausstellung The thing is suchen nach alternativen Vorstellungen des in der Welt seins — weg von solchen, die ausschließlich den Menschen in den Mittelpunkt stellen. Sie stellen Überlegungen dazu an, wie wir nachhaltiger designen, produzieren und konsumieren können, so dass die vom Menschen geschaffenen Dinge komplett in den Metabolismus der Erde integriert werden. Dazu nutzen sie mal archäologisch-materialistische oder auch spekulative Herangehensweisen, betrachten das Verhältnis von Körper und Ding aus einer queeren, behinderten Perspektive, spielen mit der Objekt-Subjekt-Verhältnissen sowie Bedeutungsverschiebungen oder experimentieren mit dem Design von sich selbst zersetzenden Objekten.

KOMPOST

Im Rahmen von KOMPOST: Nahrung für den Geist, einem gemeinsamen Projekt von Popfabryk, Media Art Friesland, European Media Art Festival und New Noardic Wave, haben sich zehn deutsche und niederländische Filmemacher:innen, bildende Künstler:innen, Komponist:innen und Musikproduzent:innen zum gemeinsamen Austausch getroffen.

„Try to describe a place“ / „Versuche, einen Ort zu beschreiben“

Diese Aufgabe nahmen die zehn teilnehmenden Künstler:innen im August 2021 als Ausgangspunkt, sich mit auditiven, visuellen und haptischen Werken ihrer Umgebung, dem niederländischen Friesland, zu nähern. Try to describe a place / Versuche, einen Ort zu beschreiben porträtiert, was Friesländer:innen bewegt und wie sich dies gemeinsam mit ihrem Kontext verändert (hat), verarbeitet die Sinneseindrücke und Gedanken der Künstler:innen und stellt universale Fragen nach Identität und Zugehörigkeit.

Talks

Timetable: Talks

Online-Talks

Dinge sind von Bedeutung. Sie sind von Bedeutung aufgrund der Rolle, die sie in unserem täglichen Leben spielen, aber auch wegen der materiellen und immateriellen Spuren, die sie hinterlassen. Als etwas Haptisches begriffen, haben unbelebte Objekte ihre eigenen Lebenszyklen und gewinnen oder verlieren abhängig von Zeitraum, Epoche oder Kultur an Wert oder Geltung.

Dinge erzählen Geschichten. Sie erzählen von Verlust und Zugehörigkeit, von Vergangenheit und Gegenwart, von Realität und Fiktion. Dinge können auf Machtpositionen oder Momente des Widerstands verweisen. Oft haben sie mit Hierarchien zu tun, implizieren Formen des Ausschlusses oder fungieren als Zeugen von Taten und Ereignissen.

Dinge sind niemals bloß Dinge. Sie mögen von Menschenhand geschaffen sein, oder man begegnet ihnen draußen in der Natur. Manche sind entworfen und erzeugt, andere Anhäufungen, Gebilde oder gar lebendige Organismen. Allesamt bestehen sie aber aus Materie und den Ressourcen der Erde, und allesamt gehen sie wieder in die Masse des Planeten ein.

Dinge sind wirkmächtig. Smarte Dinge sind in der Lage zu hören und zu sprechen, Bewegungen zu verfolgen und Emotionen aufzuzeichnen. Von nichtmenschlicher Personalität wird heutzutage im Zusammenhang mit den Veränderungen gesprochen, die künstliche Intelligenz mit sich bringt, doch sie ist auch ein wiederkehrendes Thema, wenn es um den Personenstatus und die Rechte der Natur, ihre Ökosysteme und Entitäten geht.

Aber was ist denn dann ein Ding – und was nicht? Was bedeutet heute eine Welt der Dinge und wem bedeutet sie etwas?

Das Programm der Talks des EMAF 2022 fragt nach, was es heißt, mit Dingen zu leben und auf sie achtzugeben, unter Berücksichtigung unterschiedlicher Zeitlichkeiten, Ontologien und Weltanschauungen. Es geht um die Rolle von Kunst, Design und Technologie bei der Gestaltung, Aneignung oder Entledigung von Dingen, um wesentliche Beziehungen zur Umwelt und zum Planeten zu begründen oder wiederherzustellen. Bei den Talks werden insbesondere die Herausforderungen und Möglichkeiten der Gestaltung multipler Welten, des Arbeitens und Lebens mit intelligenten Infrastrukturen, der Anerkennung von Handlungsfähigkeit der lebendigen Umwelt und des Respekts für den Kreislauf von Materie zur Sprache gebracht. Während sie über die Verbindung zwischen Lebendigem und Nichtlebendigem nachdenken, diskutieren die vom EMAF 2022 geladenen Theoretiker:innen und Praktiker:innen über die Bedeutungen, den Nutzen und die Kosten von Dingen im Hinblick auf menschliche und über das Menschliche hinausgehende Welten.

Campus

Timetable: Campus

#smalltalks

Die Festivalsektion EMAF Campus bietet Klassen und Fächergruppen europäischer Akademien und Hochschulen eine spannende Plattform. Studierende aus Wien, Amsterdam, Halle an der Saale, Braunschweig, Bremen und Osnabrück bespielen sowohl mit eigenen Filmprogrammen die Festivalkinos wie auch mit vielseitigen Ausstellungen verschiedene Orte in der Osnabrücker Innenstadt.

Aus der Zusammenarbeit zwischen dem Österreichischen Filmmuseum und dem Fachbereich Kunst und digitale Medien der Akademie der bildenden Künste Wien entstand das Programm AMATEURINNEN*. Ausgangspunkt waren Werke von Frauen* aus dem Bestand des Filmmuseums. Zu sehen sind Filme von Studierenden, die sich mit deren künstlerischen Strategien und feministischen politischen Potenzialen auseinandersetzen.

Im neuen Studiengang Künstlerische Forschung in und mit Film der Niederländischen Filmakademie Amsterdam stehen Recherche und Debatte, Experiment und Prozess im Vordergrund. Studierende präsentieren Arbeiten, die sich mit persönlichen Erinnerungen, dem Verhältnis von Individuum und Kollektiv und der Dynamik wechselnder Blickverhältnisse auseinandersetzen.

Die Fachklasse für Zeitbasierte Künste der Burg Giebichenstein in Halle versteht sich als Forschungsteam. Mit verschiedenen Mitteln und Medien übersetzen sie ihre Gedanken und Inhalte in erzählerische und experimentelle Filme und Projektionen, Klänge, gebaute und mediale Räume, Körper und Bewegung, Materielles und Immaterielles, und entwickeln darin eine eigenständige künstlerische Sprache und Haltung.

Campus_Following the Shadow: Route to the North_Anvar Musrepov
Filmstill "Following the Shadow: Route to the North", Anvar Musrepov, AT 2021, 8'
Campus_AudiovisualFragment_Hernandez
Filmstill "Audiovisual Fragment – The Language of Memories", Bruno Hernandez, NL/USA/AR, 2022, 17'
Campus_Kim_Bittersweet
3-channel short film installation, "Bittersweet Parade", Han Kim, 2019, 14', 4K, 4-channel, sound
Campus_SmellsFishi
Video installation "Smells Fishi", Carina Jacqueline Gerke, 2022, , video loop, robotic fish, aquariums
Campus_EvaBruno
Video loop installation "Vorhang auf und zu", Eva Bruno, DE, 2022 , 4:3
Campus_Soundscape_Zumholz
Multi-channel installation "SOUNDSCAPE //", Joscha Heinrichs, Christina Kiel, Roman Knol, Katharina Lehmann, Benjamin F. Stumpf, and Maria Zumholz, 2022
Collage Maria Zumholz

Im Zentrum der Fachklasse Raumkonzepte der HBK Braunschweig steht ein politischer und zugleich experimenteller Ansatz. Mit einem sinnlichen Blick gehen die Studierenden in ein vergangenes Archiv, kehren mit kritischem Vorausdenken zurück in das politische Jetzt, und erschaffen einen sprechenden Raum gegenwärtiger Gedanken.

Die Klasse für Zeitbasierte Kunst der HfK Bremen setzt sich mit einer visuell und akustisch überreizten Welt auseinander, deckt nicht zuletzt Contentfabriken auf und begreift Zeit als ein fragiles Medium, das Echokammern bildet. Hatten sie jemals das Bedürfnis den Bildschirm zu nehmen und ihn einfach auf den Boden aufprallen zu lassen? Dafür gibt es Gründe, die kritisch experimentell demaskiert werden.

Das Institut Kunst/Kunstpädagogik der Universität Osnabrück beteiligt sich darüber hinaus mit mehreren Arbeiten. In einem Robot-Workshop, in dem ein Telepräsenzroboter Double zum Einsatz kommt, werden neue Kommunikations- und Ausstellungskonzepte erstellt. Aus einem Projekt zur Klangforschung ist eine Mehrkanal-Installation für ein ehemaliges Parkhaus entstanden, die verschiedene akustische Arbeiten zu einem kollektiven Resonanzraum verwebt.