Europa
↳ Stefan Themerson, Franciszka Themerson
PL 1931, 00:12:00
Europa war der erste Film der polnischen Pioniere Stefan und Franciszka Themerson. Das wiederentdeckte Meisterwerk, das über siebzig Jahre als verloren galt, kann als eine der herausragenden Arbeiten des europäischen Avantgardefilms des 20. Jahrhunderts gelten. 1925 erschien in der Zeitschrift Reflektor zum ersten Mal das futuristische Gedicht Europa von Anatol Stern. Nachdem es danach auch von anderen Blättern veröffentlicht worden war, entstand 1929 daraus ein Buch, gestaltet von zwei Künstler:innen der Avantgarde, Mieczysław Szczuka und Teresa Żarnower. Dessen Inhalt spiegelte sich im Design. Zu einer Zeit, als sich Europa am Rande eines Abgrunds befand, handelte das Gedicht von sozialer Krise und Moralverlust. Stern beschrieb es als „meine trockene Chronik, gewidmet der Tragödie, dem Elend, der Weisheit und Verruchtheit Europas“. Angeregt von dem Gedicht, machten Stefan und Franciszka Themerson es zum Film, indem sie die Worte mit Fotogrammen und Collagen in Bewegtbilder übersetzten. Der Film entstand 1931/32 in Warschau im Schlafzimmer der Themersons in der Ulica Królewska. Die Wirkung des Films auf der Leinwand war ebenso eindringlich wie die des Gedichts auf den Seiten des Buches. Als die Themersons 1938 nach Paris gingen, um ihre Arbeit dort fortzusetzen, nahmen sie Europa und ihre anderen Filme mit. 1940, ungefähr ein halbes Jahr nach Ausbruch des Zeiten Weltkriegs, deponierte Stefan Themerson die Filme beim Kopierwerk Vitfer in Paris, wo die Nazis sie beschlagnahmten. Europa lief das letzte Mal in den frühen 1930er Jahren in Polen über die Leinwand. 2019 wurde der Film vom Pilecki-Institut im Bundesarchiv in Berlin wieder aufgefunden und in der Folge von Fixafilm in Warschau restauriert. Die neu beauftragte Filmmusik stammt von Lodewijk Muns.
Courtesy of the artist and LUX, London