Jerrycans to Can Jerry
↳ Leon Kahane

2020
In Leon Kahanes Arbeit Jerricans to can Jerry begegnen wir einem Zeitzeugen ganz ungewöhnlicher Art, nämlich dem heute vor allem als „Jerrycan“ bekannten Wehrmacht-Einheitskanister. Er wurde von dem deutschen Ingenieur Vinzenz Grünvogel für die deutsche Wehrmacht entwickelt und von der Firma Max Brose ab 1936 als deren erstes Massenprodukt in Serie hergestellt. Der Kanister war für die Kriegsproduktion von enormer Bedeutung und die Firma forderte schnell Zwangsarbeiter an, um weiter expandieren zu können. Es wurden etwa 200 sowjetische Kriegsgefangene neben dem Firmengelände unter Aufsicht der Wehrmacht kaserniert. „Humanitätserscheinungen sind keineswegs am Platze“, so Max Brose in einer Anweisung an seine Angestellten über den Umgang mit den Zwangsarbeitern.
Max Brose wurde vor dem Nürnberger Kriegsverbrechertribunal erst in die „Gruppe der Minderbelasteten“ eingestuft. Später wurde das Urteil auf „Mitläufer“ herabgesetzt, was einem sogenannten Persilschein gleichkam. Er konnte seine Firma wieder übernehmen und weiter expandieren. Der Wehrmachts-Einheitskanister wurde noch 20 Jahre von der Firma produziert. Soweit so üblich für ein deutsches Familienunternehmen, dass über die NS-Zeit zum Massen- produzenten herangewachsen ist.
Entgegen der mittlerweile üblichen Praxis, versucht der Brose-Erbe Michael Stoschek noch heute ein geschöntes Bild seines Großvaters zu zeichnen. Dafür hat er eine Biografie über Max Brose in Auftrag gegeben, die gänzlich ohne Quellenangaben auskommt und für Empörung unter Historikern gesorgt hat. In ihr wird Max Brose rückwirkend von jeglicher Schuld freigesprochen und das Familienunternehmen somit auch in der Gegenwart von jeglicher Verantwor- tung entlastet. Im Jahr 2015 hat der Brose-Enkel durch Streichung aller sozialen Zuwendungen und Spenden an seine Heimatstadt Coburg, die Verwaltung dazu „bewegen“ können, eine Straße nach seinem Großvater zu benennen. Die Coburger Max-Brose-Straße führt ausgerechnet an der ehemaligen Synagoge der Stadt vorbei. Damit wurde 2015 in Deutschland eine Straße mach einem NSDAP Mitglied, Wehrwirtschaftsführer und Kriegsgewinnler benannt, der sich niemals zu seiner tiefen Verstrickung in das NS-Regime bekannt hat.
Die Urenkelin und Teilhaberin der Firma Max Brose Fahrzeugteile Julia Stoschek, gilt heute als eine der wichtigsten Sammlerinnen auf dem internationalen Kunstmarkt. Auch sie hat sich bisher nicht zu ihrer Familiengeschichte bekannt um zu einer progressiven Aufarbeitung beizutragen. Es bleiben also nur die letzten Zeitzeugen.
Please Meet Colonel Canister!
- Sektion Section: Exhibition
- Programm Programme: The thing is